Diktator Lukaschenko

Oh Empire!

Kann man unabhängige Kunst in einer Diktatur schaffen? Selbstverständlich ist das möglich. Nur kann es passieren, dass die Herrschenden den Künstlern das Leben schwer machen. So geschehen mit Drum Ecstasy, die in ihrer belorussischen Heimat boykottiert werden.

Drum Ecstasy sind nicht irgendwer. Sie zählen zu der Handvoll großer Bands ihres Landes, haben in zahlreichen hoch angebundenen Aktionen mitgewirkt, so bei Werbekampagnen u.a. für Lucky Strike, Pall Mall, Volkswagen und Microsoft, sind bei Festivals in ganz Europa aufgetreten oder haben offizielle Kampagnen wie die gegen AIDS unterstützt. Jährlich gibt das Musikerkollektiv um Frontmann Philipp Tchmyr allein in Weißrussland 50 Konzerte. Damit ist es jetzt vorbei.

Weißrussland ist - so wird häufig kolportiert - die "letzte Diktatur Europas". Auch wenn es nicht leicht ist, sich von außen ein ausgewogenes Bild von der politischen Situation in der ehemaligen Sowjetrepublik zu machen, unbestritten bleibt die Tatsache, dass Präsident Alexander Lukaschenko das Land autoritär und mit eiserner Hand regiert. Erst im vergangenen Oktober ließ sich die eher lustig wirkende Hitler-Imitation per Volksentscheid zum Präsident auf Lebenszeit erklären. Doch scheint Lukaschenko nervös geworden zu sein. Die politischen Veränderungen in Georgien, Ukraine und in Kirgisien könnten seinen Untertanen Vorbild für das eigene Aufbegehren sein. Quasi vorbeugend werden politische Gegner wie Mikola Statkewitsch, Leiter der sozialdemokratischen Partei und Pawel Sewerinez, Leiter einer Jugendbewegung, verhaftet, unabhängige Zeitschriften verboten, Kritiker eingeschüchtert. Vor rund einem Jahr wurde die Europäische Humanistische Universität in Minsk mit der Begründung geschlossen, sie bilde Freigeister aus!


Nachdenklich: Drum Ecstasy

Die Situation in Weißrussland ist also angespannt und wer sich nicht zu den Freunden des Präsidenten zählt, muss mit dem schlimmsten rechnen. Die Musiker von Drum Ecstasy traf der Zorn des Großen Diktators, weil sie an einer von der Opposition organisierten "Feier" zum zehnten Amtsjubiläum Lukaschenkos teilnahmen. Dort wurde nicht wie bei den offiziellen Jubelfeiern der bescheidene Wohlstand bejubelt, den sich das Land in den letzten Jahren erarbeiten konnte, sondern vielmehr der Preis kritisiert, den die Menschen in Form der Beschneidung ihrer Freiheit zahlen müssen. Offiziell gab es selbstverständlich keine Einwände gegen die Aktion, schließlich bemüht sich Lukaschenko stets den Anschein einer Demokratie zu wahren. Hinter den Kulissen wurden jedoch schwarze Listen herumgereicht, die Behörden, Radios, Fernsehsendern, Zeitungen, Labels und Veranstaltern klar machten, welche Künstler zu boykottieren seien. Selbstverständlich haben diese Listen nie existiert, denn sie wurden niemals als Schriftstück ausgereicht. Wem das Kurzzeitgedächtnis einen Streich spielte, der musste z.B. als Veranstalter mit Lizenzentzug oder als Angestellter einer Zeitung mit Entlassung rechnen. Die boykottierten Bands tauchen seitdem in der solcherart eingeschüchterten Kulturlandschaft nicht mehr auf. "Eigentlich haben sich die staatlichen Stellen damit ihrer eigenen kulturellen Basis beraubt", erklärt Philipp Tchmyr. Denn in Weißrussland gibt es die bei uns geforderte Quote für einheimische Musik und die liegt zudem mit 75 Prozent recht hoch. Die Musiker der sechs verbotenen Bands gehören zur Speespitze der einheimischen Szene und sind in zahlreiche Projekte involviert. Es bleibt also nur wenig gehaltvolles Material z.B. für Radiosendungen übrig.

So traurig die Situation für die Fans in Weißrussland sein mag, für die Musiker ist das Verbot eine Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz. "Zum Glück haben wir alle einen ‚richtigen' Job", erklärt Tchymr. Zudem touren Drum Ecstasy auch außerhalb ihres Heimatlandes. Doch ohne diese "Privilegien" sähe es recht düster aus. Ohne die Möglichkeit einer CD-Produktion, ohne Auftritte, ohne Werbung und Interviews in den Medien kommt kein Geld in die Kasse. Für manche ihrer Kollegen ist diese Situation eine Katastrophe. Mit der Veröffentlichung "Save Our Songs" sollen diese Musiker unterstützt und gegen das Verbot protestiert werden.

Das Interesse hierzulande an den Problemen in Weißrussland ist nicht sonderlich stark. Zur Pressekonferenz ist ein einziger Vertreter der offiziellen Medien erschienen. In der Zeitung finden sich dann nur ein paar kurze Zeilen zum Thema. Auch die Bandeigene "Visa-Affäre" ist keine weitere Betrachtung wert. Fast hätten es die Musiker nicht zu ihrem Auftritt geschafft, da sie sich bei der Antragstellung in der deutschen Botschaft nicht devot genug verhalten haben, so wie es sich für einen Osteuropäer nun mal gehört. Drum Ecstasy reagieren darauf mit der ihnen eigenen Art von Humor, sie haben einen Aufkleber produziert. Darauf steht in großen Lettern: "UNTEREUROPEAN".

 

Kontakt zur Band: www.drumecstasy.com

Zur Situation im Lande s. http://www.belarusnews.de

 

Nachtrag - Offener Brief von Václav Havel

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