Ukraina - Songs Of The Orange Revolution (CD, Eastblok Music)

Es ist einen Binsenweisheit, dass wir uns hier im Westen (eigentlich ein Witz dieser Satz aus der Sicht eines Ostdeutschen) in Zukunft verstärkt mit den Menschen aus dem Osten Europas beschäftigen müssen, ob wir wollen oder nicht. Jenseits der EU-Erweiterung dämmert es uns, dass es im ehemaligen Ostblock mehr gibt, als billige Waren und Arbeitskräfte oder Absatzmärkte. Nein, dazulande gibt es auch Kultur. Vorliegender Sampler beweist dies am Beispiel der Ukraine. Ein Land, dessen Menschen erfolgreich eine friedliche Revolution ins Rollen brachten. Den Künstlern, besonders den Musikern, die bei zahlreichen Demonstrationen als moralische Unterstützung ihre Landsleute unterhielten und anspornten, kam in diesem Prozess eine besondere Rolle zu. Alexander Schwabe, Politik-Redakteur bei SPIEGEL ONLINE schreibt im Booklet der CD: "Fröhliche Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten und allen Alters vereinten sich für ein paar Tage zur größten Familie der Welt: Unter den Hunderttausenden schien es keine Fremden mehr zu geben... Dort tobte die Party der Revolutionäre drei Wochen lang. Von früh morgens bis spät in die Nacht hinein heizten Popbands den Demonstranten ein und Folkloregruppen erwärmten die Gemüter."

Hört man die CD unvoreingenommen, so stellt man schnell fest, dass in der Ukraine eine Menge guter Musiker und offensichtlich auch Produzenten gibt. Stilistisch geht die Fahrt vom Schlager bis zum Stadionrock, vom Reggae bis hin zum poetischen Singer-Songwriter, alles immer mit lokalem, d.h. traditionellem Kolorit gefärbt. Soweit, so gut. Wirklich vom Hocker haut das jedoch niemanden. Die positiven Pressestimmen sind wohl hauptsächlich auf die Überraschung der Journalisten und das Wohlwollen bezüglich des Anliegens der EASTBBLOK-Crew zurückzuführen. Ganz ohne Exotenbonus muss man konstatieren, dass hier durchschnittliche Popmusik geboten wird, nicht mehr und nicht weniger. Das mag an der Auswahl liegen, schließlich sind massenkompatible Stücke immer auch ein Stück weit belanglos und glatt. Wer bei einer Demo vor Jung und Alt spielt, kann halt keinen kompromisslosen Punk oder abgefahrenen Jazz aufführen. Da braucht es schon einer "Ruslana", die mit knappen Kostümchen über die Bühne wirbelt und dazu fröhliche Melodien trällert. Schade nur, dass die restlichen Stücke trotz handwerklich hoher Fertigkeiten der Interpreten auch nicht über dieses Weichspüler-Niveau hinausgehen. Ist die Ukraine denn ein solch glatt poliertes Land? Oder wird hier auf den westeuropäischen Markt geschielt? "Die Zeit" vom 31.März 2005 formulierte es so (und dem kann ich mich nur anschließen): "All die Fantasmen und Folklorismen, die einmal westlicherseits auf den wilden Osten projiziert wurden, von Tanz-Novelty-Hits der Gruppe Dschingis Khan bis hin zu Heinz Konsaliks Taiga-Beschwörungen, kehren in zeitgemäß aufbereiteter Form wieder. Der Unterschied: Sie sind von der Färbung her ein Ostprodukt. Der Osten hat gewissermaßen die Klischeeproduktion über sich selbst in die eigene Hand genommen."

Titel:
1. Okean Elsi: Maische Wesna 2. Ruslana: Diki Tanzi 3. WW: Musika Dika 4. Mandri: Kalina 5. Haydamaky: Boguslaw 6. Tartak: Ja ne chotschu 7. Talita Kum: Litai 8. TNMK: Wawilon 9. Mad Heads: Nadija Jea 10. Oleksander Ponomariow: Chowen 11. Rosawa: Nascha Ukraina Bonustrack: Ruslana: Dance with the Wolves (Video)

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Balkanbeats (CD, Eastblok Music)

Mit den "Balkanbeats" knüpfen EASTBLOK MUSIC nahtlos dort an, wo sie mit "Ukraina - Songs Of The Orange Revolution" aufgehört haben, im Guten, wie im Schlechten. Positiv zu bewerten ist der wesentlich stärkere traditionelle Einfluss auf die Popmusik. So erklingen die in der Balkanmusik häufig anzutreffenden Bläserchöre, manchmal fließen orientalische Songstrukturen ein, "Gipsy" ist allgegenwärtig. Insgesamt ist die Musik sehr energetisch, stets auch mit einer Spur Melancholie versetzt. Das Ganze wird dann mit aktuellen Spielarten der Populär-Musik verquirlt, vom Ska zum Metal und über den Punk zurück.
Als weniger schön ist die erneute Fokussierung des Samplers auf (zumindest musikalisch) eher harmlose Musik zu sehen. Vielleicht liegt das an der bevorzugten Verwendung als Partymusik. Als Anfang der 1990er das ehemalige Jugoslawien in schrecklichen Bruderkriegen auseinander fiel, feierten junge Emigranten unabhängig von Nation und Herkunft miteinander. Die Sehnsucht nach unbeschwertem Beisammensein muss gewaltig gewesen sein, die Besinnung auf Gemeinsamkeiten stand sicher im Vordergrund. Ecken und Kanten stören da nur. Doch trotz dieser Kritik stellt sich bei "Balkanbeats" im Gegensatz zum "Ukrainia"-Release nicht dieses Klischee-Gefühl ein, auch wenn hier immer noch auf westliche Hörgewohnheiten zurechtgezimmerte "Weltmusik" zu hören ist. Vielleicht ist die Einschätzung aber auch ungerecht, schließlich haben auch die Osteuropäer das unbedingte Recht, ihre eigene Popmusik zu machen und sich nicht ausschließlich auf Folklore reduzieren zu lassen. Insofern wäre Popmusik, die grundsätzlich kulturelle Unterschiede verwässert, als Ganzes zu verurteilen.

Titel: 1. Magnifico & Turbolentza: hir ai kam, hir ai go 2. Besh O Drom: Meggyújtom A Pipám 3. Mahala Raï Banda: Colindat 4. Yugoton & Kazik: Malcziki 5. Legen: Zumba 6. Kultur Shock: Blagunjo Dejce 7. Let 3: Tazi-Tazi 8. Kayah & Bregovic: Prawy Do Lewego 9. Frank London's Klezmer Brass All Stars: Tsu Der Kretshme 10. Karandila Feat. Maya: Djelem, Djelem 11. Ssassa: Romanela 12. Sanja & Balkanika: Kermes 13. Boban Markovic Orkestar: Od Srca 14. Fanfare Ciocarlia: Dusty Road 15. George Dalaras & Goran Bregovic: Night (Nihta)
Bonus Video Tracks: Magnifico & Turbolentza: hir ai kam, hir ai go & Let 3: tazi-tazi


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