V.A. - Juche (CD, DPRK)

Vielen Industrialbands wird nachgesagt, dass sie totalitäre politische Systeme verherrlichen. Meist ist damit das so genannte Dritte Reich gemeint, schließlich wird der reiche Bildfundus aus dieser Zeit gern für Plattencover und Hintergrundvideos bei Liveauftritten ausgebeutet. In diesem Sinne passt auch diese CD ins Konzept, auf der "einschlägig bekannte Bands" wie Con-Dom, The Grey Wolves oder Genocide Organ die letzte wirklich "sozialistische" Diktatur der Erde (Lassen wir Kuba mal außen vor) feiern: Nordkorea. Spätestens an dieser Stelle sollten auch die hartleibigsten p.c.-Wächter merken, dass dies nicht geschieht, weil die Musiker mit dem Regime des im Mittelpunkt des Werkes stehenden und leider viel zu spät verstorbenen Kim Il-sungs sympathisieren. Hallo liebe Freunde, genau das ist Industrial, das ambivalente Spiel mit Propaganda.
Turbund Sturmwerk starten mit einer (ich vermute mal) koreanischern Ansage über einer bedrohlichen Klangatmosphäre. Der Herr spricht so erregt, als ob er sich gleich das Brotmesser in den Leib rammen wollte - aber nein Seppuku ist eine japanische Tradition. Operation Cleansweep bieten langsame Gewitterähnliche Drums über einem schleifenden Drone und dazu gelegentlich schmerzverzerrte Vocals. Bei Con-dom kratz-droned es über einer kaum hörbaren Meldoie und Mike Dando intoniert in seiner typischen Art seinen "Dear Leader"-Text.
Genocide Organ starten mit einem lauter werdenden Loop über den sich elektronische Sturmgeräusche und wie durch eine Sprechanlage verzerrte Vocals legen. Gegen Ende spricht eine klare Stimme einige unverzerrte, eindringlich wirkende Sätze - es geht wieder um den "Leader" und das "Country". Aus der Reihe fällt der Beitrag von Militia. Die Belgier bereichern ihren typischen perkussiven Stil mit koreanischen Elementen. Dann wird's wieder noisig - Ex.Order holen die große Trommel raus und jagen das Signal durch den Verzerrer. Dazu gibt es eine bedrohliche Rezitation. Dann kommt Herr Bush zu Ehren - was machen wir eigentlich, wenn der nicht mehr da ist - der uns was zur Achse des Bösen erklärt. Unter den das Gelaber des texanischen Möchtegernpolitikers legen The Grey Wolves einen kratzigen Loop, ein periodisch wiederkehrendes Schwinggeräusch, koreanische Liedfetzen sowie eine Nachrichtenstimme. Nicht viel komplizierter aufgebaut ist der Track von Anenzephalia, wenn auch mit etwas weniger Elementen bestückt, so dass es insgesamt etwas "entspannter" wirkt. Der Vortrag hier ist sehr "propagandistisch", was mir persönlich gut gefällt. Zusammengefasst lässt sich also sagen: Musikalisch liefern die beteiligten Projekte genau das ab, was man von ihnen erwarten könnte: bösen Industrial / Power Noise mit den entsprechenden Texten und Samplezugaben.

Aus meiner Sicht das eigentliche Highlight des Samplers ist das beiliegende, sehr schön gestaltete Heft. Der Golddruck mit koreanischen Schriftzeichen erweckt den Eindruck, es handele sich hierbei um ein offizielles Dokument der Demokratischen Volksrepublik Korea - die Abkürzung der englischen Version Democratic Peoples Republic Korea wurde übrigens als Labelname verwendet. Auf Seite Eins erwartet uns ein Bild, das vom Reichsparteitag in Nürnberg stammen könnte - Menschenmassen stehen vor einer mit gigantischen Fahnen geschmückten Tribüne. Das Hakenkreuz wurde durch das "Logo" der DPRK ersetzt, Hammer, Sichel und Pinsel. Wie sich die Bilder doch gleichen… Im Inneren bedienen sich am deutlichsten Con-dom, The Grey Wolves und Anenzephalia der Ikonografie der nordkoreanischen Propaganda, alle anderen Mitstreiter bearbeiten das Thema eher frei. So berichten Genocide Organ z.B. über einen Fall staatlich gelenkten Terrorismus. Richtig lustig ist der rückseitige Aufdruck: Limited to 15.000.000. Na dann, verteilen wir an jeden Nordkoreaner ein Exemplar dieser CD. Vielleicht bringt's ja was...

Insgesamt ein sehr schönes industrielles Werk, wenn auch ohne große Überraschungen.

Titel:
1. Turbund Sturmwerk - Reunification
2. Operation Cleansweep - Sun Of Man
3. Con-Dom - Leader
4. Genocide Organ - The Tears Of My Soul
5. Militia - A Kite Of Glass In A Blood Red Sky
6. Ex.Order - The Justice Of Blinds
7. The Grey Wolves - Nuclear Panic Stations
8. Anenzephalia - Work For NK

 


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