Agitation +++ Tonfragmente II+


Objekt Urian - „Agitation“ (CD, Tesco)

Immer wieder diskutieren wir im Freundeskreis darüber, wie es mit dem Industrial-Genre weitergehen soll, denn machen wir uns nichts vor: Die großen Helden sind alle jenseits der 40, wenn nicht gar 50 und von denen, die heutzutage hinter der Fahne des Industrial Aufstellung nehmen, „beglückt“ uns die eine Hälfte mit grottigem Techno, die andere mit langweiligem Noise. Mit „Objekt Urian“ und dem bei genauerer Betrachtung Debütalbum „Agitation“ - bisher erschienen seit dem Jahr 2000 zwei „Tonfragmente“-Zusammenstellungen und zwei Live-Releases – zeichnet sich jedoch ein Lichtstreif am Horizont ab. Das Album ist abwechslungsreich in jeder Hinsicht. Schnelle Stücke wechseln mit langsamen, Kracher im Stile von Sutcliffe Jügend wie das Brillante „This is The price we have to pay“ mit seinen wummerndem Rhythmus und wild scherbelnden Frequenzen, treffen auf ambiente Stücke wie „Despair“ oder das grausig-geniale Finale „Lebenswille“. Ein großes Plus der Tracks von Objekt Urian ist die Auswahl der Samples. Tatsächlich habe ich mich geärgert, dass die Jungs mehrfach Ideen verbraten haben, die ich, wäre ich nicht so faul, auch schon umgesetzt hätte („Anneliese M.“, „Liberty“). Schade. Ein weiterer Vorteil des deutschen Duos ist sein Vermögen, bei aller Härte und Schrägheit auch echte Hits zu produzieren, wie besagtes „This is the price...“ und „Chamber Music at Ground Zero“.

Alles in allem ein großartiges Album, das eine deutliche Weiterentwicklung gegenüber „Tonfragmente II“ zeigt und dabei absolut unterhaltsam im positiven Sinne ist, somit auch ein gewisses Potential hinsichtlich der Breitenwirkung besitzt. Weitermachen!


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Objekt/Urian - Tonfragmente II+
(CD, Zone De Confusion, Nuit Et Brouillard)

Diese CD entstand in den Jahren 1991 bis 2001, ist also nicht mehr ganz frisch. Das macht aber überhaupt nichts, denn Gutes wird mit der Zeit eher besser. Das kennen wir ja vom Wein.
Objekt/Urian lassen sich nirgendwo so richtig einsortieren, dafür ist ihr Sound einfach viel zu abwechslungsreich. Allen Titel gemein ist nur, dass man ihnen die elektronische Erzeugung anhört. Herausgekommen sind dabei völlig unterschiedliche Klänge. "fog" macht seinem Namen alle Ehre und kommt kriechend, schleppend ambient daher, mit einer gehörigen Portion Düsternis (Man denke nur an den "Nebel des Grauens"). "... gegen die eigenen untergebenen" beginnt mit einem düster-schnarrenden Drone auf den sich weitere Elemente aufbauen. Das Sample, bei dem junge Menschen etwas von "…gehen wir für dich in den Tod" singen, verursacht einiges Frösteln. Dazu schlägt ein synthetischer Drum monoton den Takt, eine Stimme erzählt nur schwer Verstehbares in einem seltsamen Flüsterton.
"Logic Control" ist wieder ein ambientes Stück, diesmal jedoch mit entrückt schwebenden Sound. Dann erklingen synthetische Maschinengewehrsalven, über die sich ein typischer Powernoise-Rhythmus Loop legt, der von heulenden Sound-Geschossen begeleitet wird. Eine Vocoder-verzerrte Stimme bringt "useless informations" zu Gehör. Ein supergeiles Stück auch für die Tanzfläche, dass durch gelegentliche Breaks und ein sehr skurriles Sample niemals langweilig wird. "Nightwar" kommt dann wieder ein Stück weit krachiger, und schriller daher, so dass man schon nach kurzer Zeit einen weiteren Ausbruch vermutet. Der bleibt dann aber aus und verliert sich in einer düsteren Atmosphäre. "fight" kommt mit einem vorwärtsdrängenden monotonen Rhythmus, der sich jedoch kaum zum Tanzen eignet, in Verbindung mit der propagandistisch eingesetzten Schreistimme eignet sich das Stück eher als Soundtrack zum wütenden Fäuste schütteln. "Fight for your freedom! Fight for your right! Fight for your country!" Naja, letztere muss wohl nicht unbedingt sein…
"perversion" ist ein Power Noise Track mit verzerrten Vocals im Zwiegespräch mit einer zweiten Stimme und einem dominanten Drone, der das Ganze zusammenhält. "metropolis" baut auf einem hypnotischen Loop auf, zu dem sich erst ein wechselhafter Rhythmus und dann weitere Soundschichten, wie ätherisch verzerrte Stimmen gesellen. In Summe bleibt das Stück lange Zeit ruhig, um dann doch einen etwas bedrohlichen Charakter anzunehmen. Es folgt in "Last Farewell" die mehrfache Wiederholung des grauenerregenden Kindergesangs, dem Synthesizer-Attacken und eine verzerrten Stimme gegenübergestellt werden. Der Klang von Krähengekrächze verheißt nichts Gutes. As Ganze hat einen sehr eigentümlichen statischen Charakter trotz zum Teil heftiger Sounds. "…empfangen sie auf kurzwelle" ist ein rhythmusgeprägtes Instrumentalstück, das durchaus auf Industrialdiskos laufen könnte, wäre es nicht so zurückhaltend abgemischt. Das letzte Stück "An Appeal" ist mit einem russischen Propaganda-Sample ausgestattet, mit einem Trommelrhythmus, netten, leicht kitschigen Retro-Synthesizern und Schreigesang versehen, der ebenfalls irgendwie unkorrekt klingt, insbesondere wenn man nur Textfragmente wie "der Sieg wird unser sein" versteht. Ein veritabler Hit auch für den Neofolk-Floor, der sicher nicht so böse gemeint ist, wie er rüberkommt.

Was an Objekt/Urian auffällt, ist der extrem synthetische Sound. Der nervt aber nicht, wie bei so vielen anderen Veröffentlichungen, sondern versprüht den Charme früher Minimal-Musik. Sehr abwechslungsreiche CD mit der Fähigkeit auch nach häufigem Hören noch zu unterhalten.

Titel :
1. fog
2. … gegen die eigenen untergebenen
3. logic control
4. useless informations
5. nightwar
6. fight
7. perversion
8. metropolis
9. last farewell
10. … empfangen sie auf kurzwelle
11. an appeal

 


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