Death Over China +++ Flowers Of Reality
Split with Shift

 

Anemone Tube – Death Over China (CD, Silken Tofu / Topheth Prophet)

Zugegeben, das vorliegende Werk ist alles andere als leichtverdaulich. ?“Death Over China“ besteht zu einem wesentlichen Teil aus Field Recordings, die im Jahre 2007 in den Nanjing und Shanghai hemacht wurden. Nur für zwei Stücke, "I Shall Forever Invoke" und "Prayer Walk", kam ein zusätzlicher Synthesizer zum Einsatz. Allein dieser Fakt zeigt schon, dass Anemone Tube auf dieser Veröffentlichung mehr Klangkunst als Industrial Muzack bieten.
Die gesampleten Klänge sind nicht, wie man vielleicht erwarten könnte, die typischen „Ethno“-Aufnahmen mit traditioneller Musik, Marktgeräuschen oder Ähnlichem. Thema von „Death Over China“ ist der gigantische Bauboom und die rücksichtslose Industrialisierung des Landes. In der Presseveröffentlichung heißt es dazu: „Kein Land hat in der Geschichte ist zu einer industriellen Großmacxht aufgestiegen, ohne die Umwelt zu zerstören, ein Schaden, der vielleicht erst in vielen Jahrzehnten behoben werden kann. Zu Chinas Aufstieg als ökonomische Macht gibt es keine eindeutige Parallele in der Geschichte, für sein Verschmutzungsproblem gibt es keinen Präzedenzfall.“ Wer sich ein mit dem Thema beschäftigt hat, weiß, dass dies keine Schwarzmalerei ist. Peking im Sandsturm der sich nähernden Wüste Gobi, tagelange Dunstglocken über den Städten, brennende unterirdische Kohlefelder, gigantische Studammprojekte, die sogar das Mikroklima beeinflussen...

Die Aufnahmen – vor allem Stimmen und Baugeräusche – sind so zusammengeschnitten, dass sie eine bedrohliche Atmosphäre ergeben, die dunklen Synthesizerklänge tun noch ihr Übriges dazu. „Death Over China“ zeichnet ein dunkles Bild von der gegenwärtigen Situation im nicht mehr so ganz sozialistischen Großreich und damit auch ein finsteres Bild von der Zukunft. Denn die Schäden, die jetzt angerichtet werden, werden die Chinesen aber wahrscheinlich auch alle Menschen auf dem Globus noch eine ganze Weile beschäftigen. Anemone Tube liefern hier das, was man eigentlich von Industrial Muzack erwarten sollte: Die Anregung über ein wichtiges Thema nachzudenken. Umgesetzt wird dies mit eher sparsamen Mitteln, die nachgerade zur Meditation einladen. Nichts tut in dieser Zeit so Not, wie das Nachdenken. Gegen Ende wird’s dann noch einmal richtig harsch, „The Descent Within“ erinnert ein wenig an Genocide Organ. Vielleicht lässt sich die Assoziation aber auch auf den Titel der Platte zurückführen...

Für alle Sammler sei noch die schicke Gestaltung der CD erwähnt, wie sie hier zu sehen ist.

 

 

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Anemone Tube – Flowers Of Reality (10’’, Transfixional Entertainment)

“Ka Do - Der Blumenweg”, heißt die A-Seite dieser Anemone Tube-Veröffentlichung. Wer bei diesem frühen Werk (1998) des industriellen Klangprojektes allerdings netten Hippie Ambient erwartet, wird einen Schreck bekommen. Noise-Rauschen, ein tuckernder, schneller Motorbootrhythmus, Klänge wie Schiffssirenen. Als nach einiger Zeit das Rauschen aussetzt übernimmt wildes, verfremdetes Gebrüll seinen Platz. Kado ist die meditative Form der japanischen Blumenbindekunst Ikebana. Das Kunstwerk, das beim Meditieren über „Ka Do – Der Blumenweg“, ist sicher kein allzu harmonisches.
Der dronig blubbernde „Black River“ (B-Seite, Titel 1) eignet sich da schon viel besser zum Meditieren. Der kontinuierliche Wechsel zwischen zwei Tönen tut sein Übriges. „Building Of Flavors“ reißt uns wieder aus der Versenkung. Der auf- und abschwellende Brummton trifft auf schmirgelnde Noiseflächen, die aber so weit nach hinten gemischt sind, dass sie nicht schmerzen. Auch der Tuckerrhytmus aus „Ka Do“ ist wieder da. Während die anderen Schichten sich entfernen und durch Drones etc. ersetzt werden, bleibt der Motor am Laufen, verändert aber mit der Zeit Geschwindigkeit und Last. Doch auf die Maschine verstummt und macht Platz für chaotische Frequenzwirbel, die immer bedrohlicher werden.

Ein angenehmes Release, das allerdings mehrere Anläufe benötigt, bis es „einschlägt“.

 

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