|
Usher / Wehwalt / Zreen Toyz - Le Chrysaor Paraphile
(CD, Inner Cinema)
Auf dieser CD enthalten sind drei französische Projekte, die jeweils
zu Zweiergruppen kombiniert hier insgesamt sechs von acht Tracks beisteuern.
Zwei Tracks kommen ausschließlich von Zreen Toyz.
Schauen wir erst einmal, wer
hinter den Namen steckt. Beginnen wir mit den bereits erwähnten ZREEN
TOYZ, einem "Klangbildhauer". Herr JLHB (mehr ist leider
nicht zu erfahren) ist Jahrgang 1954 und hat ursprünglich Piano und
Percussions studiert, bevor es ihm an der Akademie zu langweilig wurde
und er sich der Improvisationsmusik zuwandte. Im begleitenden Informationsmaterial
zur CD wird mitgeteilt, dass JLHB den Weg von Luc
Ferrari und Ilhan
Mimaroglu kreuzte und er von Größen wie Herman Poole Blount
aka Sun
Ra, Tangerine
Dream und Conrad
Schnitzler beeinflusst wurde. Reichlich beeindruckendes Namedopping
Die Arbeitsmethode von Zreen Toyz wird so beschrieben, dass der Künstler
sehr spontan sein Klangmaterial erschafft und manipuliert, dabei auch
Imperfektes einkalkulierend. Klanglandschaften entstehen aus Vibrationen,
Geräuschen und Kollagen, wobei die ursprüngliche Struktur des
Klangs ausgelöscht wird.
WEHWALT
heißt mit vollständigem Namen Ezeckiel Wehwalt (Jahrgang 1976)
und kommt ursprünglich aus der "popmusikalischen" Richtung.
Seine ersten Berührungspunkte mit Musik waren Punk, Metal und Reggae
- Wehwalt spielte in verschiedenen Bands seiner Heimatstadt. Ab 2000,
2001 konzentrierte er sich auf Soloprojekte unter verschiedenen Namen
du gründete das Label Otorragie.
Wehwalts Sound wird als undefinierbar, polymorph, in ständiger Veränderung
begriffen, beschrieben, was zwar nicht sehr konkret ist, wohl aber die
Unmöglichkeit beschreibt, den Klang zu katalogisieren.
Dritter im Bunde ist USHER
und das ist nicht etwa der Soulsjammersack sondern Michel Lecamp (auch
Antho Shield), ein Multiinstrumentalist, der seit den 1970ern aktiv ist,
und unter anderem 1981 die Wave-Band Norma
Loy gründete. Usher macht Musik für Filme veröffentlicht
Bücher, organisiert Ausstellungen und Performances und hat zudem
aktuell das Soloprojekt Die
Puppe am Start.
Gut, nun wissen wir, wer hier
am Start ist, bleibt die Frage, worum es geht. Denn das bei so hochkarätiger
Besetzung ein intellektueller Überbau dazu gehört, dass ist
selbstverständlich Pflicht. Und da geht es um Perversionen und Edgar
Varese. Der hat nämlich gesagt, "Die perverse Musik existiert
nicht" und ergänzt "weil sie nicht über Sex redet".
Mal abgesehen von Titel 3, Zrenn Toyz' "Obsédante perversion
du divin marquis" - trotz meiner nicht vorhandenen Französischkenntnisse
würde ich mal sagen, es geht um Großmeister de Sade, ist auch
keine sexuelle Anspeilung herauszuhören. Nur in dem etwas nervigen
Stück wird zu Spinett und Vogelgezwitscher gestöhnt. Das habe
ich aber auch schon anregender gehört.
Ansonsten sind die einzelnen Stücke alle recht aufwändige konstruierte
Klangcollagen mit zahllosen Ebenen. Der Sound ist nicht allzu gefällig,
soll heißen, hier werden keine ambienten oder industriellen Klischees
bedient. Stattdessen zelebriert man in verschiedenen Kombinationen eine
anspruchsvolle Klangkunst, die mir persönlich allerdings etwas zu
verkopft ist. Gelegentliche Ausfüge in "körperlichere"
Gefilde, wie die an Zilverhill erinnernden Sprachsamples und der Kanongesang
in "Exhibition Ferroviaire" oder die pumpenden Rhythmen in "Sexy
Sadism", sind da eher die Ausnahmen als die Regel. Wollte man den
vielbemühten Vergleich mit einer Filmmusik heranzitieren, passt zu
"Le Chrysaor Paraphile" sicher etwas Experimentelles, ohne klare
Story und ohne eindeutig identifizierbare Bilder. Wie bei jeder abstrakten
Kunst muss man sich darauf einlassen. Ich werde wohl noch eine Weile dazu
brauchen, mit dem recht kühlen Werk "warm" zu werden, auch
wenn ich anfangs wesentlich mehr Probleme mit der Scheibe hatte.
back top
|