Parma
Day in Apfelstadt Die Welt ist voller
seltsamer Dinge. Das gilt natürlich auch für die Musik. Wer
bei Mädchen JuNE versucht, herkömmliche Maßstäbe
anzulegen, wird schnell verzweifeln. Zahllose Namen hinter denen immer
ein Mann steht, abgefahrene Sounds und eine eigenwillige Bildsprache machen
den Zugang zum Projekt zur schweren Arbeit. Auch die Fülle der qualitativ
hochwertigen Arbeiten verlangt etwas Durchhaltevermögen.
An
einen Wintertag im Jahr 2003 beschloss ich, aufgrund des Mangels an Musik,
die ich mag, einfach mal selber etwas zu probieren. Ich begann, ein kleines
Tape aufzunehmen, spielte es jemanden vor und man fand es interessant.
Natürlich war die Sache sehr holprig. Ich habe keine Ahnung von Musiktheorie.
Aber später stellte ich fest, dass das auch sein Gutes hat, ich konnte
ganz frei von jeder Logik arbeiten. So schickte ich mich an, die Chaim
Nepulu zu machen. Das war auch die Geburtsstunde von Verom Laternen Licht
Produktion (VernomLLP). Und so baute sich dieser ganze Kosmos auf. Was sollte man über den Menschen hinter Mädchen June wissen? Guten
Tag, ich bin Mädchen June und werde jeden Tag von den Süßwarenhändler
im Eckhaus missbraucht. Es macht mir Spaß weil ich dabei immer einen
Scott Walker Lollie bekomme. Wer deine Veröffentlichungen verfolgt, ist sicher ein wenig verwirrt: Wie viele Persönlichkeiten hast Du als Musikschaffender und wodurch unterscheiden sie sich? Ist das eine Therapiestunde? Keine Ahnung, wer da alles eine Rolle spielt, VernomLLP ist wie ein Raum, in dem sich Menschen befinden und wo auch welche hereinkommen und sich was zu erzählen haben. Mädchen sitzt in einer Ecke des Raumes und hört zu. Natürlich kenne ich diese Leute nicht und verstehe auch wenig, warum wir uns in diesen Raum befinden und so gebe ich ihnen Namen, damit ich nicht in einen dunklen Tunnel laufen muss. Dadurch entsteht ein Projekt und wenn die Leute viel zu erzählen haben, bekommen sie ein zweites oder drittes. Das ist wie in einem Puppenhaus, das ich nach Belieben als Bühne nutze. Das gibt mir auch die Möglichkeit diesen kleinen Kosmos VernomLLP besser zu erklären und es lebhafter zu machen.
Alltag,
Erlebnisse, Fantasie und Wünsche. Die ganze Straßen sind voll
davon, du gehst an einem alten Haus vorbei, du betrittst es und erlebst
in dieser Ruine, wie Menschen vor hundert Jahren lebten. Du kannst noch
den Duft von Glück, Liebe, Tod, Verrat usw. riechen. Du berührst
die Möbel, du hörst das Lachen der Kinder, das Stöhnen
der Alten. Alles das kann schon Stoff für eine dieser Geschichten
werden. Was entsteht zuerst, die Musik oder die "Story"? Die Geschichte, sie ist das Drehbuch. Darauf baue ich Stück für Stück ein Album auf. Zum Leidwesen der Leute, die keine Konzeptalben mögen. Aber bei mir geht es nicht, dass ich zum Schluss aus fünfhundert Titeln zehn aussuche und diese zehn als mein neues Album vorstelle. Das ist mir zu flach und zu unehrlich. Ich will kein Geld machen, sondern ich mache Musik, um meine Kreativität zu entladen.
Diese
Geschichten sind der Motor, ich hatte mal ein Album nach dem klassischen
Schema gemacht, produziert und veröffentlicht ohne zu reflektieren,
wohin dies Sache geht, ohne zu sondieren, was für Ebenen erreicht
werden damit; was löse ich in mir selbst auf diese Weise aus. Nach
der Veröffentlichung bemerkte ich, dass dieses Album fremdartig war,
es stand neben dem Gartenzaun von Vernom. Was aber nicht heißt,
dass es schlecht geworden ist. Nur es war wie ein Familienmitglied, das
man alle zwei Jahre sieht. Es zeigte mir, dass man immer ehrlich zu sich
sein muss und eine Art Drehbuch braucht. Wenn Du jemandem Deine Musik beschreiben solltest, wie würde diese Beschreibung aussehen? Du
befindest dich in einen Raum, der ist eingerichtet wie diese alten Viktorianischen
Zimmer, da flackert in einer Ecke eine Kerze. Ansonsten ist alles dunkel
und warm und du riechst den Süßen Tod. Auf einmal wachst du
auf und befindest dich auf einer Bahnhofstoilette, welche schon seit vier
Wochen nicht mehr geputzt wurde, weil die Putzfrau mit Gehirntripper im
Bett liegt. Ja, ich denke so isst es. Wenn man wissen will, was Mädchen
June macht, muss man sich die Musik anhören. Das Internet ist groß,
da gibt es genug Hörbeispiele. Es ist mir ein Gräuel, eine Schublade
aufzustoßen. es verletzt einen Menschen, auf irgendwas Billiges
reduziert zu werden, daher kann ich mich nicht auf ein Genre festlegen,
das beschränkt das freie Handeln. Welche Musik hörst Du selbst gern? Was hat Dich in Deinem Schaffen beeinflusst? Von Swing bis Klankollagen ist alles drin, jedes Genre kann ich hören, sofern es mich anspricht und nicht in flache Idiotie abdriftet. Mich beeinflusst Alles was gut und schlecht ist. Auch das positive Schlechte ist wichtig für Kunstschaffende, es symbolisiert manchmal mehr als das Gute. Was für mich immer interessant war, ist Ammer Einheit, das hat Niveau und "Der Tote Liebknecht" von Kirlian Camera, ich glaube das hat mich geprägt.
Mit Mädchen JuNe.
Das
ist wie bei einem Maler, der keine Ahnung hat, was er machen will. Der
Maler hat das Objekt vor Augen, ich habe die Geschichte oder eine Idee.
Ich sammle und erstelle Material. Ich überlege, was kann ich davon
gebrauchen, wie hört es sich an, wenn ich das Eine mit dem Anderen
verbinde. Dann überlege ich, was für einen Track ich mache,
ist es ein ruhiger oder ein schneller. Ist natürlich auch die Frage,
wie ich gerade drauf bin. Wenn ich dann einspiele und es perfekt läuft
und ich doch noch ein wenig gegensätzlich werden kann, bin ich zufrieden
und es kommt auf das Album. Es kann auch passieren, dass ein fertiges
Album komplett verworfen wird. Was nicht heißt, das ich es schlecht
finde, sondern es ist mir einfach fremd geworden. Bist Du eher ein Perfektionist, der an jedem Ton ewig lang herumschraubt oder lässt Du die Dinge einfach geschehen? Kommt
auf meine Laune an, ich habe keine festen Rituale. Wie es mir passt. Das
ist Tagesformabhängig. Es gibt einen Track, an dem hänge ich
Wochen und es gibt einen, der geht in 10 Minuten durch. Es kommt auch
darauf an, wie gut sich die Sache entwickelt beim Einspielprozess. Kannst Du Dir vorstellen, mit jemand anderem zusammen zu arbeiten oder bist Du eher ein Einzelkämpfer? Schwer vorstellbar, ich brauche meine Freiheiten. Außer es sitzt mir der Schalk im Nacken und ich gebe Material ab und lasse was daraus machen, das wäre eher vorstellbar. Aber im Studio oder im Wohnzimmer gemeinsam das geht nicht.
Manchmal, man muss ja auch schauen, wo sind die roten Fädchen und wo kann man mehr entwickeln. Manchmal wirkt es beklemmend, es ist halt keine Musik für die Masse und wir alle sind ausnahmslos so gestrickt, das Alles glatt sein soll. Ich mag diese Arbeiten, sie geben mir das, was ich bei keiner anderen geboten bekomme. Was aber nicht bedeutet, dass die anderen schlecht sind. Manche haben sogar was drauf aber auf ihre Art, ich mag halt auch mein eigenes. Der selbst gebackene Kuchen schmeckt einen auch besser als der vom Bäcker, rein psychologisch gesehen.
Das ganze Spektrum von: "ich habe deine CD noch nicht gehört", bis "gut" oder "kranker Scheiß". Manchmal von "schlecht" bis "gefällt mir gut". Also lieben werden mich die meisten nicht und bei einen Gartenfest wird mich auch keiner einladen. Außer LSD wird legal.
Was
soll ich da oben auf der Bühne, das ist keine Livemusik? Eher eine
Untermalung zu einer Performance oder für einen Film. Ich finde es
albern, wenn Projekte auf der Bühne stehen, nur an ihren Reglern
drehen und ein wichtiges Gesicht machen, obwohl der Sound zu 90 Prozent
aus der Konserve kommt. Ich glaube auch das Publikum hat sich geändert:
Die wollen meist, das einer auf der Bühne steht und BummBumm-Musik
macht und sich noch ein Pseudo-ich-bin-böse-Mantel überzieht.
Ich mag keine Auftritte, weil diese sich nur auf meine Person ableiten
und die tut nichts zur Sache. Wer die Musik gut erleben will, soll sie
in einen geeigneten Raum mit wenigen anderen Menschen hören. Du hast zu einigen Deiner Veröffentlichung Filme gemacht. Welche Rolle spielt für Dich die visuelle Seite Deines Schaffens? Die ist absolut wichtig, ohne das Eine geht das Andere nicht, damit setzte ich noch einen Akzent zur Musik. Und ich habe eine weitere Erzählmöglichkeit zur Verfügung.
Die
Sprache der Bilder ist gewaltig. Das ist so ein Gefühl, bei dem man
manchmal in Tränen ausbrechen will. Wir sehen fast alle diese Dinge
die in Filmen vorkommen und erleben sie auch. Doch ein guter Regisseur/in
stellt sie dar, als ob wir sie noch nie so gesehen haben und wir glauben
es. Das ist das Tolle am Film, reine Magie der Beeinflussung. Du kannst
mit minimalen Dingen etwas darstellen und jeder Dumme versteht sofort,
was man will. Ich will nicht wissen, wie viele Überstunden die Taschentücherfabriken
einschieben mussten, als "Bambi" oder "Dumbo" in die
Kinos kam. Bei der Musik muss der Künstler um mehr Akzeptanz werben,
gerade wenn man keinen massenkompatiblen Sound macht. Das Hören ist
schwerer und zeitaufwändiger als einen Film zu schauen oder ein Theaterstück
zu sehen. Welche Werke möchtest Du unseren Lesern empfehlen? "Angela
Merkel und Ronald Poffalla auf der Suche nach den heiligen Dildo"
- leider gibt es den Film noch nicht. Aber wenn beide zusagen und Helmut
K. sich das Ding noch in den A... reinschiebt und das in einer Slowszene,
dann denke ich, steht mir der Bundesfilmpreis überreicht von Uschi
Glas zu.
Es ist wieder eine Idee, ich schaue mir die Orte für Aufnahmen an, überlege passt es zum Film und zum Sound? Dann mache ich mich auf den Weg mit meiner Ausrüstung und lege los. Wenn ich mal wieder einen dieser Träume habe, schaue ich ob ich diesen Hinweis auch thematisieren kann.
lalalalalalalaupslalalala Mädchen June bei debil |
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