|
Dark Ambient
Radio auf Sendung...
Interview mit
dem Initiator Thomas
Dark
Ambient gehört neben Industrial und Noise zu den bevorzugt vom club|debil
propagierten Musikrichtungen. Dass wir nicht die Einzigen sind, die die
dunklen,s ehr langsamen Klänge mögen, zeigt ein Blick ins Internet.
Dort gibt es zuum Beispiel das Dark Ambient Radio, das sich voll und ganz
dem Genre verschrieben hat. Wir sprachen mit dem Mann hinter dem Projekt.
Hallo
Thomas, seit wann existiert das Dark Ambient Radio und wie ist die Idee
dazu entstanden?
DAR ging am 27.1.2006 um 3:22 das erste Mal auf Sendung mit dem Track
Hecate's Psy von Ah Cama-Sotz. Die Idee trug ich das ganze
Jahr 2005 mit mir herum. Zu dem Zeitpunkt war ich bereits fünf Jahre
ein Anhänger des Stils und fragte mich,warum es noch kein entsprechendes
Internetradio gab. Ich hatte über die Jahre eine einigermaßen
große Sammlung zusammengetragen und eine Dark Ambient Playlist für
mich zusammengestellt. Ich merkte, dass Freunde, die mich besuchten, das
gut fanden und fragte mich, warum ich die Playlist nur für mich allein
hören sollte. Die Entscheidung, das Radio zu gründen, habe ich
tatsächlich Silvester 2005 als guten Vorsatz getroffen.
Alle halbe Jahre gebe ich mal so einen Ruck, entgegen allem Unbehagen
und aller Bedenken, ein neues Projekt anzufangen so eine Art Waffe
gegen die Zeit. DAR war so ein Fall.
Der Mann hinter
dem Dark Ambient Radio...
Wie
viele Aktivisten sind neben Dir in die Erstellung des Programms eingebunden?
Eigentlich bin nur ich dafür verantwortlich, welche Musik in die
Rotation aufgenommen wird. Wie gesagt: Es ist im Prinzip meine Playlist
gewesen und sie ist es bis heute. Es gibt keine Gast-DJs, die auflegen.
Abgesehen von ein paar wenigen Konzept-Sendungen ist DAR einfach eine
Random-Playlist, die über das Internet abgespielt wird. Wortbeiträge,
die bei konventioneller Anmoderation durch DJs unvermeidlich wären,
wollte ich von Anfang an nicht drin haben. Statt dessen habe ich eine
Kommentarfunktion pro Track bzw. pro Künstler auf der Radio-Website
(www.darkambientradio.de)
untergebracht, wo alle, die etwas Information beitragen wollen ihre eigene
Anmoderation unterbringen können. Wenn man das mit zum Programm zählt,
gibt es tatsächlich viele freie Mitarbeiter.
Eine eigene
Internetsendestation nur für Dark Ambient? Lohnt sich das?
Was meinst Du: ob es sich in kultureller, in finanzieller oder aufwandsmäßiger
Hinsicht lohnt? Zum ersten Punkt: Es lohnt sich auf jeden Fall mehr, das
erste Internetradio für einen Untergrund-Musikstil mit nur durchschnittlich
30 Hörern zu schaffen, als das 1000ste Mainstream-Kommerz-Radio mit
300 Hörern. Finanziell sehe ich es als ein Hobby an. Klar ist es
teuer, aber es gibt teurere Hobbies. Und vom Aufwand her mache ich so
viel, wie ich Lust habe. Ich hätte in jedem Fall meine private Playlist
gepflegt. Klar ist das Radio mit mehr Kommunikation und einem strukturierteren
Herangehen an die Musik verbunden. Würde ich die Playlist für
mich privat machen, würde ich nicht jeden Track jeder hereinkommenden
Promo einzelnen bewerten. Aber das ist keine Belastung, sondern ich sehe,
dass ich bewusster mit dem Material umgehe.
Wie
groß schätzt Du das Publikum für Deutschland ein, wie
groß ist Eure Hörergemeinde?
Das Forum der Radio-Website hat gegenwärtig 762 eingetragene Nutzer
was immer das heißen mag. Aber Dark Ambient ist wirklich
ein Nischenphänomen. Vielleicht ist es der einzige Musikstil, bei
dem es mehr Produzenten als reine Konsumenten gibt. Der Stil hat sich
sehr schwer damit getan, sich in Deutschland als Untergrundszene zu etablieren.
Das liegt vielleicht auch daran, dass er nicht wirklich tanztauglich bzw.
partykompatibel ist. Zum Anderen wird DA oft auch nicht als Stil erkannt.
Auch sind die Anhänger meist eher introvertierte Typen, habe ich
den Eindruck. Das macht es schwer, die Hörerpopulation abzuschätzen.
Immerhin hat sich mit dem Phobos in Wuppertal schon das 4. Jahr
in Folge ein Festival etabliert. Wenn man davon ausgeht, dass sich
ein gewisser Teil der Hardcore-Fans dort versammelt, würde ich diesen
Typus auf ein paar hundert innerhalb Deutschlands schätzen.
Wie
funktioniert das Senden technisch? Welche Infrastruktur steckt
hinter dem Radio?
Das ist etwas nerdig:
Sämtliche Tracks liegen als mp3s mit hoher Qualität auf einem
64GB-USB-Stick, der in einem (von Solar-Panels geboosteten) Notebook steckt,
auf dem eine Software namens SAM Broadcaster läuft und der über
eine DSL-Leitung einen Stream zu einem Shoutcast-Server einer Firma namens
Spacial.net sendet, der Bandbreite für gegenwärtig maximal 50
Hörer zur Verfügung stellt.
Woher
beziehst Du das Material?
Ich gestatte mir ein gutes Budget zum Erwerb von CDs und kaufe dann meist
direkt bei den einschlägigen Dark Ambient Labels, die allesamt auch
einen Mailorder führen. Daneben gibt es einige Netlabels mit interessanten
Veröffentlichungen. Auf archive.org fische ich auch regelmäßig
nach Perlen. Und dann bekomme ich natürlich jede Menge Promos zugeschickt.
Gelegentlich surfe ich sogar auf myspace, bandcamp & co.
Sendest
Du tatsächlich 24/7 oder gibt es auch Lücken?
Keine geplanten. Es gibt die üblichen technischen Probleme. Aber
ich würde sagen, dass DAR eine Onlinezeit von etwa 95% hat.
Könntest
Du Dir auch vorstellen richtige Radiosendungen mit An- und
Absage etc. über den Stream laufen zu lassen?
Nein.
Wie
löst Du das leidige Problem mit GEMA & Co.?
Als ich noch etwas flüssiger war, habe ich das Geld einfach so abgeschrieben,
obwohl nur etwa ein Dutzend GVL-geschützte CDs als Kopie auf dem
USB-Stick liegen, zahle ich dafür jeden Monat über 20€.
Mein guter Vorsatz für das neue Jahr ist, dass ich mir das spare
und jeden Monat eine andere CD in das Laufwerk des Notebook stopfe und
das als 'feature' verkaufe. Naja, Kompromisse, Kompromisse... Was die
GEMA angeht, die monatlich etwa 30€ kostet (egal ob der Anteil der
GEMA-Künstler 1% oder 100% ist im Fall von DAR eher die erste
Zahl) engagiere ich mich bei der C3S, die sich gegenwärtig als Alternative
gründet und eine für den Onlineradio und Club-Bereich gerechteren
Verteilungsmechanismus anstrebt, von dem die kleinen Künstler, die
auf Nischen-Internetradios gespielt werden, wesentlich profitieren werden.
Jetzt im Moment, wo die GEMA noch das Monopol besitzt, ist es praktisch
unmöglich ihr Repertoire aus dem Programm zu nehmen, da sie wegen
des sog. 'GEMA-Verdachts' darauf bestehen darf, eine Liste sämtlicher
gespielter Titel nebst bürgerlichem Namen und aktueller Postanschrift
der Schaffenden zu verlangen. Das ist gerade in einer eher introvertierten
Szene, wo die meisten unter nicht selten wechselnden Projektnamen veröffentlichen,
praktisch nicht leistbar. Was ich auf jeden Fall verhindern will ist,
dass ich anfange mein Einkaufs-Budget zu kürzen, das den kleinen
DA-Labels und Künstlern nun wirklich direkt zugute kommt.
Zu
den Stücken und Künstlern gibt es ein Kommentarsystem. Wie intensiv
wird das genutzt? Musst Du oft mäßigend eingreifen?
Früher wurde es
häufiger genutzt, habe ich den Eindruck. Vielleicht liegt es daran,
dass die Stars der Szene alle schon einen Kommentar bekommen haben. Vielleicht
sind auch alle DAR-Kommentatoren zu SoundCloud abgewandert. :) Im Ernst:
Der Reiz der Gründung ist vielleicht nicht mehr so präsent nach
sieben Jahren. Vielleicht sind andere Medien reizvoller, um seine Meinung
loszuwerden, z.B. Facebook oder Blogs. Forensysteme sind vielleicht einfach
'old school'. Was das mäßigende Eingreifen angeht, wurde noch
nie ein Beitrag in irgendeiner Weise zensiert und es wurde auch noch niemand
zur Ordnung gerufen.
Ihr
habt bereits zwei Sampler veröffentlicht. Wie war die Resonanz und
war der Verkauf zufriedenstellend?
Verkauf zufriedenstellend
klingt ja so nach Business. In der Dark Ambient Szene gibt es eine noch
sehr lebendige Kultur, Musik auf runden Scheiben auszutauschen und dabei
das kultische, fetischistische eines materiellen Mediums wertzuschätzen.
Dem wollten wir mit den Compilations Rechnung tragen. Und dafür,
dass wir als Graswurzelprojekt an den Start gingen und kaum eigene Vertriebsstrukturen
besitzen, denke ich, dass wir zufrieden sein können: Die Hälfte
der Auflage jeder der beiden Comps ist entweder verkauft, getradet oder
als Promos oder Autorenexemplare verschickt worden. Wir werden wohl in
2013 unser investiertes Geld wieder heraus bekommen haben.
Wie
wählt ihr die Beiträge aus?
Die Compilation-Beiträge wurden jeweils unterschiedlich ausgewählt.
Bei Vol.1 einigten wir uns darauf, dass unveröffentlichte Tracks,
die eigens für die Compilation produziert wurden, den Vorrang haben
sollten. Und das waren zufällig elf Stück, die genau auf die
CD passten. Bei Vol.2 haben wir uns eines Online-Werkzeugs für Befragungen
(limesurvey) bedient, um von den 26 konkurrierenden Tracks in einem anonymen
Rating 11 auf die CD zu wählen. Bei Vol.3 war die Wahl sogar doppelt-anonym:
Niemand wusste wer hinter dem jeweiligen Track steckte.
Dark
Ambient Radio ist gerade dabei den dritten Sampler zu veröffentlichen.
Diesmal seid Ihr auf Crowdfunding angewiesen. Wie hat das bisher funktioniert
und warum klappts diesmal nicht mehr mit der Selbstfinanzierung?
Wie gesagt, bin ich im Moment nicht so flüssig. Ich kann diesmal
nicht, wie bei den beiden ersten Veröffentlichungen, den noch ungedeckten
größten Teil der Produktionskosten vorfinanzieren. Im Januar
werden wieder $400 für die Bandbreite für das Jahr 2013 fällig.
Kurz: Das Radio ist nun mal meine Priorität und ich wollte eigentlich
nie ein Label gründen. Das Crowdfunding war einfach mal wieder so
ein Fall von probier's doch mal aus, um die Veröffentlichung
im Dezember voranzutreiben nachdem ich mich im Herbst etwas aus dem Projekt
herausgezogen hatte. Und es sieht ganz gut aus: Etwa 20 Leute haben bisher
zu der Finanzierung beigetragen und sind dadurch effektiv Teil des Projekts
geworden. Das ist eine grundsätzlich andere Haltung als einfach mal
zu gucken was am Markt zu haben ist und aus dem Angebot das am besten
Passende zu konsumieren. Viele haben bereits Vol.1 oder Vol.2 wertgeschätzt
und ermöglichen die Veröffentlichung von Vol.3 nun als bewussten
Akt als Akt des Glaubens, könnte man sagen, und nicht umsonst
heißen die Investoren bei sellaband.com
ja auch Believers.
Das Cover für Teil 3? Tote Mücken als Sinnbild des Dark Ambient
:-)
(creative commons von Karl-Ludwig
G. Poggemann)
Wie
geht es weiter mit dem Dark Ambient Radio, was dürfen wir in Zukunft
von Dir erwarten?
Der gute Vorsatz für 2013... Ich plane seit längerem in die
Website ein System einzubauen, das endlich einen offiziellen Weg vorsieht
Promo-mp3s hochzuladen, damit der Review-Prozess beschleunigt und das
Repertoire (gegenwärtig bereits ca. 4000 Tracks) noch schneller erweitert
werden kann. Musikproduzenten sollen in der Lage sein, selbst auf einfache
Weise Kommentare zu den Tracks und der eigenen Person bzw. dem eigenen
Projekt zu schreiben sowie eine Übersicht über ihre Tracks zu
bekommen: Welche Tracks sind in der Playlist und wie oft wurden sie schon
gespielt, welche Tracks befinden sich noch im Review-Loop, welche wurden
jüngst in die Playlist aufgenommen und mit welcher Bewertung, welche
wurden abgelehnt und mit welcher Begründung? Und ganz wichtig dabei:
Unter welcher Lizenz wurden sie veröffentlicht? Über die Lizenzierungsproblematik
machen sich viele Musikschaffende leider nicht besonders viele Gedanken.
Bei einem Musikstil, wo fast niemand GEMA-Mitglied ist, wird das für
Radio-Macher und DJs wirklich zum Problem. Schließlich wäre
DAR ein guter Kandidat für den Test des C3S Micropayment Systems.
Dafür werde ich mich auf jeden Fall bei Zeiten bewerben. Aber das
alles wird sich unter der Haube abspielen und der geneigte Stammhörer
wird es vielleicht nur dadurch wahrnehmen, dass öfter mal ein ganz
neues Stück gespielt wird und es wieder mehr Kommentare gibt.
debil
dankt für die ausführlichen Antworten!
Zum Radio gehts hier...
Infos zum Mithelfen beim Vol.3 der Compilation gibt es auf der Website
und hier.
"
weiter
zurück |